Vor kurzem erreichte uns die Anfrage eines Gemeindepfarrers. Hörgeräteträger haben sich über die Akustik in seiner Kirche beschwert. Der Pfarrer war etwas ratlos — die Kirche ist schließlich mit einer gut funktionierenden Lautsprecheranlage ausgestattet! Was stimmt hier nicht?
Im Prinzip stimmt alles, es passt nur nicht zusammen. Kirchen sind, baulich bedingt und technisch besehen, akustische Katastrophen. Offene Kirchenschiffe mit hohen, glatten Wänden, ebenso glatten Böden, großen Fenstern und vielleicht noch Glasverschlägen zum Schutz von wertvollem Inventar sorgen dafür, dass Echo und Hall sich ungehindert ausbreiten und vervielfachen können.
Spricht unser Pfarrer oder spielt die Orgel, wird durch diese architektonischen Gegebenheiten genau jenes akustische Erlebnis erzeugt, welches Kirchgänger mit dem Gottesdienst verbinden und schätzen — das gibt es nirgendwo anders.
Ein gar nicht so feiner Unterschied: Der Cocktailparty-Effekt
Für Hörgeräteträger stellt sich dieses Hörerlebnis allerdings ganz anders dar. Sie „erleben“ nämlich einen weitgehend amorphen Klangbrei, welcher ihnen das Zuhören schwermacht und das Verstehen mitunter unmöglich.
Während nichtschwerhörige Menschen auch in geräuschvoller Umgebung (dem „Klangbrei“) die für sie wichtigen Signale herausfiltern, verstehen und sich unterhalten können, geht diese Fähigkeit mit Hörgeräten und CI verloren. Das Phänomen ist seit 1953 unter dem Begriff „Cocktailparty-Effekt“ [1] bekannt. Da kämpfen auch vollmundig beworbene digitale Rausch- und Störgeräuschunterdrückungssysteme in modernen Geräten auf verlorenem Posten.
Die Lösung: Induktive Hörlagen und Funkübertragung
Sie können Abhilfe schaffen! Die erste Möglichkeit: Sie lassen die Kirche oder die entsprechenden Gemeinderäume mit induktiven Höranlagen ausstatten. Diese Anlagen werden einfach an eine vorhandene Lautsprecheranlage angekoppelt. Die Nutzer können dann, nur mit ihren Hörgeräten/CI und ohne weiteres Zubehör, im Hörfeld dieser Anlage (die idealerweise die gesamte Bestuhlung umfasst) ohne störende Nebengeräusche hören.
Die andere Möglichkeit ist eine drahtlose Funkübertragungsanlage (früher und auch heute noch traditionellerweise FM-Anlage genannt), sie wird ebenfalls an vorhandene Lautsprecheranlagen angeschlossen. Bei dieser Lösung teilen Sie oder Ihr Mesner bzw. Ihre Mesnerin den schwerhörigen Besuchern Funkempfänger aus und entweder eine Halsschleife für induktives Hören oder einen Kopfhörer, falls die Besucher schlecht hören und kein Hörgerät tragen.
Mit beiden Technologien hören die Benutzer klar und deutlich alles, was Sie ins Mikrofon sprechen, singen oder was die Musik spielt — Nebengeräusche bleiben fast vollständig außen vor. Beide Systeme können auch autonom ohne vorhandene Lautsprecheranlage betrieben werden.
Probieren Sie es einfach einmal aus. Wenn Ihre hörgeschädigten Gottesdienstbesucher auf einmal alles verstehen, was Sie predigen, wird ihr strahlendes Gesicht Sie überzeugen!
Da am vorhandenen Audiosetting und den baulichen Gegebenheiten der Kirche nichts verändert wird, bleibt auch den gut hörenden Gottesdienstteilnehmern ihr akustisches Erlebnis erhalten.
Weitere Informationen erhalten Sie bei der Schwerhörigenseelsorge der ELKB.
Kontakt
Schwerhörigenseelsorge der ELKB
Dr.-Ing. Thomas Kluck
Beratung zu schwerhörigengerechten Einrichtungen, Veranstaltungen und Medien
Egidienplatz 33
90403 Nürnberg
thomas.kluck@elkb.de
Quellen
1. Der Cocktailparty-Effekt. https://de.wikipedia.org/wiki/Cocktailparty-Effekt, abgerufen am 6.11.2023