Für die meisten Smartphone-Nutzer ist BYOD (Bring your own device, „Bring dein eigenes Gerät mit“) inzwischen fester Bestandteil ihrer Nutzungspraxis. Auf die damit zweifellos verbundenen Vorteile wie z.B. qualitativ hochwertige Audioübertragung und andere Bequemlichkeiten möchte kaum jemand noch verzichten. Mit BYOD wird eine Ideologie bezeichnet, nach der Endverbraucher und private Nutzer ihre eigenen Endgeräte in die Netzwerke von Unternehmen, Geschäften, Kinos, Bibliotheken oder anderen Institutionen integrieren, um auf Daten und Informationen zugreifen zu können, die dort meist über WLAN bereitgestellt werden.
Das BYOD-Prinzip birgt jedoch einen Pferdefuß: In vielen Fällen muss ein Nutzer sein Smartphone einsetzen, wenn er dabeisein möchte, weil Alternativen nicht angeboten werden. Ein Beispiel sind Museen, die keine Audioguides mehr zur Ausleihe anbieten. Stattdessen darf man sich gerne die museumseigene App aufs Smartphone laden, das Personal ist dabei sogar behilflich. Wer allerdings sein Smartphone im Auto gelassen hat, kaum noch Platz auf seinem internen Speicher hat oder ohnehin im Energiesparmodus die letzten Akkureserven anzapft, darf sich die Exponate kommentarlos und ohne die interessanten Hintergrundinfos betrachten.
Kritisch wird dieser Digitalzwang, wenn es um Teilhabe geht. Denn die findigen Vertreter der Technologien, die auf BYOD aufsetzen, haben längst die Hörgeräte- und Cochlea-Implantat-Träger (CI-Träger) als weitere Kundengruppe ausgemacht. Hörunterstützung soll zukünftig via Audiostreaming angeboten werden, einem klassischen Anwendungsfall der BYOD. Bewährte, auf die Bedürfnisse der Hörgeschädigten zugeschnittene Technologien werden als obsolet abgetan.
Wird jedoch ein Smartphone zur Teilhabe-Voraussetzung gemacht (und das ist bei BYOD immer der Fall), werden weite Bereiche der potentiellen Nutzer ausgegrenzt. Ein paar Zahlen mögen dies belegen: Mehr als die Hälfte aller über 65-Jährigen nutzen kein Smartphone (53 %). Der Anteil der Smartphone-Abstinenzler jeden Alters an der Gesamtbevölkerung beträgt immerhin ein Fünftel (21%, Quelle). Mit 52 % stellen die über 65-jährigen den größten Teil der Schwerhörigen in Deutschland (und möglicherweise auch den größten Teil der Gottesdienstbesucher). Zusammengenommen bedeutet dies, dass mehr als die Hälfte unserer Mitbürger über 65 Jahre und damit deutlich über ein Viertel aller Menschen, die auf eine externe Hörunterstützung angewiesen sind, durch die BYOD-Ideologie komplett ausgegrenzt werden!
Jene älteren Menschen, die ein Smartphone nutzen, verwenden häufig von Kindern oder Enkeln geerbte Geräte, die unter Umständen nicht mehr auf den neuesten Stand der Betriebssystemversionen aktualisiert werden können. Zum Telefonieren oder Chatten und gelegentlichen Fotografieren reicht dies allemal, und für mehr wollen die meisten Senioren ihre Smartphones auch kaum benutzen. Doch selbst mit aktuellen Modellen ist es für die meisten Ü65er eine Herausforderung, beliebige Apps zu installieren oder sich in fremde WLANs einzuwählen. Dies wird durch die Beobachtung bestätigt, dass ältere Smartphone-Nutzer im öffentlichen Raum immer wieder Hilfestellung vom Hauspersonal der jeweiligen Veranstaltungen benötigen, um auf Audioempfang gehen zu können. In Kirchen werden das die Mesner und gegebenenfalls die Pfarrer sein, die regelmäßig zusätzliche Zeit für die Betreuung der weniger smartphone-versierten Besucher aufbringen müssen.
Und nicht nur für Hörgeschädigte gilt: Das Smartphone kann herunterfallen oder aus anderen Gründen funktionsuntüchtig werden. Diese Menschen stehen dann im Regen. Außerdem werden Akku und Datenvolumen belastet, was nicht alle Nutzer hinzunehmen bereit sind. Und während der Veranstaltung haben sie dann meist auch nur eine Hand frei, was nicht nur unpraktisch, sondern auch unbeliebt ist. Dies sind übrigens auch die Gründe, weshalb das Bezahlen per App in Supermärkten und ähnlichen Konsumtempeln in den USA wieder deutlich auf dem Rückzug ist, während hierzulande und anderen europäischen Ländern noch munter experimentiert wird. (Quelle)
Diese Punkte sollten immer bedacht werden, wenn Räume oder Veranstaltungen barrierefrei gestaltet werden sollen und die favorisierte Lösung die Betroffenen zur Nutzung ihres Smartphones nötigt.
Titelbild: Foto von Markus Spiske auf Unsplash