Vor kurzem hat sich ein Pfarrer an uns gewendet, weil er seine Kirche mit einer Hörunterstützung für Hörgeschädigte ausstatten möchte. Zuvor hatte er wegen der Finanzierung Gespräche auch mit Fördermittelstellen geführt, die ihn zunächst daran zweifeln ließen, dass eine solche Schleife heute noch empfohlen werde könne oder überhaupt notwendig sei angesichts einer sich dynamisch entwickelnden Hörtechnik. Und die Kosten seien, so wurde ihm beschieden, natürlich erheblich. Mit diesen Eindrücken kam er zu uns, um sich beraten zu lassen.
Es sind wohlbekannte Argumente: Induktive Höranlagen seien veraltet, überholt, technisch in der Steinzeit angesiedelt usw. usf. Sie werden gerade im Zuge der aggressiven Vermarktung von neuen Technologien wie WLAN-Streaming und Auracast verstärkt angeführt. Fest installierte Ringschleifen gibt es bereits seit etwa 1960 und in den 80er Jahren wurde die noch junge Konstantstromtechnik in Schleifenverstärker implementiert. Hiermit war es nun möglich, auch große Flächen mit einem weiten Frequenzbereich abzudecken, wie z.B. die Breslin-Basketballarena in Lansing (siehe Bild oben) oder auch das Gershwin-Theater in New York mit 1900 versorgten Sitzplätzen. Wäre der Zeitpunkt ihrer Erfindung oder Einführung ein Ausweis für technische Rückständigkeit, wie die Apologeten gewinnträchtiger Technologien uns gerne weismachen wollen, wären auch Autos, Kugelschreiber und eine Vielzahl anderer alltäglicher Dinge veraltet.
Die Zukunftsaussichten für induktive Höranlagen werden offiziell auch ganz anders bewertet. In einer im Juni 2019 veröffentlichten Stellungnahme hat das Internationale Komitee für barrierefreien Hörzugang (IHAC), dem auch ein Vertreter des europäischen Verbandes der Hörsystem-Hersteller (EHIMA) angehört, betont,
"... daß der Gebrauch von T-Spulen/Induktionsspulen, induktiven Höranlagen/Hörhilfsmitteln für die nächsten 10-15 Jahre und danach anhalten wird."
Das heißt: Bis mindestens 2030/2035 werden Telespulen und ihr Counterpart, die induktive Höranlage, im Haupteinsatz sein. Dabei ist diese Feststellung wohl eher konservativ, wahrscheinlich werden sie auch lange darüber hinaus noch eingesetzt, ggf. im Verbund mit neuen Technologien.
Die Gründe dafür sind:
- Die Induktionstechnik ist universell einsetzbar und herstellerunabhängig.
- Induktionsanlagen sind praktisch wartungsfrei.
- Induktion ist eine ressourcenschonende Technik. Die in den Hörsystemen verbaute Telespule braucht praktisch keine zusätzliche Energie und belastet daher Batterien und Akkus nicht. Ganz im Gegensatz zu einem Bluetooth-Empfänger im Hörgerät, der kräftig an den Batterien zehrt.
Die Nachteile seien aber auch nicht verschwiegen:
- Tonsignale werde nur mono, nicht in Stereo übertragen.
- Die Induktionsschleife ist anfällig für elektromagnetische Störungen.
- Die Schleife kann, je nach Umgebung und Raumverhältnissen, schlecht bis unmöglich zu verlegen sein.
Dieser Fall ist aber eher selten. Insgesamt heißt dies, dass unser Pfarrer seine Zweifel beruhigt beiseite legen und unter Einbeziehung der induktiven Höranlagen objektiv prüfen kann, welches System für seine Kirche und seine Gemeinde das Beste ist. Was die Kosten betrifft: Für eine vergleichbare Leistungsfähigkeit zahlt er bei anderen in Frage kommenden Technologien zur Hörunterstützung mindestens ebenso viel, wahrscheinlich aber deutlich mehr als bei einer induktiven Höranlage. Zudem ist nur die induktive Höranlage wirklich barrierefrei. Das aber ist ein Thema für einen anderen Artikel ...
Quellen:
- Das Statement im Original
- Die etwas abweichende Version der Internationalen Vereinigung der Induktionsanlagen-Hersteller
Übersichtliche, knappe Darstellung einer induktiven Höranlage für Schwerhörige.